Keine Windparks im Spitalwald!

Die Anhöhe des Spitalwalds ist eine Flugroute für Zugvögel und Lebensraum unzähliger Tier- und Pflanzenarten

Dieses Naturparadies und artenreiche Ökosystem leichtfertig für einen Windpark aufzugeben, und noch in Eigenregie ein Interessenbekundungsverfahren zu initiieren, ohne die Bürger zu fragen, lässt die Frage aufkommen, ob durch den Gemeinderat der Stadt Herrenberg die Interessen der Bürger und die Interessen zukünftiger Generationen im Hinblick auf das Nachhaltigkeitsgebot ausreichend wahrgenommen werden.

Warum wird überhaupt der Spitwalwald als Windenergiefläche ausgewiesen?

Die Landkreise in der Region Stuttgart müssen 1,8 Prozent ihrer Fläche als Potentialfläche für Windenergie ausweisen. Warum weist dann der Landkreis Böblingen 5,56 Prozent seiner Flächen aus, und platziert diese in Gebiete mit artenreichen Ökosystemen und Wasserschutzzonen wie dem Spitalwald? Ausgerechnet hier eine „Vorrangfläche“? Und warum gibt es hier kein Einschreiten des örtlichen Gemeinderats der Stadt Herrenberg und Jettingens?

Man verspricht zwar im Landratsamt und bei der Stadt, die heikle Frage des Artenschutzes in einem Genehmigungsverfahren genau zu berücksichtigen, doch dies ist im Spitalwald leider nicht möglich, da es keine Maßnahme gibt, die bei Genehmigung dramatische Verluste der Arten verhindern könnte.

Im Frühling und im Herbst nutzen viele Vogelarten die Anhöhen des Spitalwalds als Flugkorridor. Faszinierende Vogelarten wie Kraniche, Wespenbussarde, Milane und viele andere fliegen vom Schlossberg in westliche Richtung über den Höhenkamm des Spitalwaldes. Unter diesen Zugvögeln sind auch viele gefährdete Vogelarten mit geringer Reproduktionsrate, bei denen sich bereits der Verlust eines Einzelvogels auf den gesamten Bestand auswirken kann.

Vogelflugkorridor: Über den Schlossberg zum Höhenkamm des Spitalwalds

Foto: FHH

Jährlich 100.000 erschlagene Greifvögel

Das Michael-Otto-Institut verzeichnet jährlich 100.000 erschlagene Greifvögel, und die Dunkelziffer scheint um ein vielfaches höher zu sein. Insbesondere für den Rotmilan würden die Ausbauziele der Windkraft die Ausrottung seiner Art bedeuten.

Windkraftanlagen verhindern auch die Balz und die Revier-Abgrenzung von Vögeln wie dem Rotmilan oder Schwarzstorch, da diese hierfür den Luftraum über Wälder nutzen. Auch Vogelarten wie der Specht sind betroffen. In Gebieten mit Windrädern sinkt die Zahl der Spechte um die Hälfte.

Abschaltvorrichtungen retten unsere Vögel nicht

Genauso wie Insekten, bei denen in der warmen Jahreszeit 5 bis 6 Milliarden pro Tag durch deutsche Windenergieanlagen sterben, fliegen Vögel auf Rotorhöhe. Abschaltvorrichtungen, wie sie oft versprochen werden, können bei einem Vogelzug dramatische Verluste nicht verhindern.

Außerdem erlaubt ein Gesetz „über die Zumutbarkeit“, das man Abschaltungen nicht ausführen muss, wenn der zu erwartende Ertrag von Energie oder Einnahmen um 6 Prozent unterschritten wird. Dieses Gesetz passt in eine Reihe von Vorschriften, die den Artenschutz aushöhlen, um den Ausbau von Windenergie zu beschleunigen, und das zu jedem Preis.

Dazu kommt der Verlust von Brutstätten: Selten gewordene Vögel wie der Pirol, Sperlingkauz und die Waldschnepfe, die empfindlich auf Lärm und Infraschall reagieren, werden sich andere Brutplätze suchen müssen, und diese immer weniger finden.

Bekassine im Spitalwald

Foto: FHH

250.000 getötete Fledermäuse pro Jahr durch Windkraft

Verheerend wäre ein Windpark im Spitalwald zudem für heimische Fledermäuse, die sich dort besonders wohlfühlen. Fledermäuse sind bereits jetzt stark bedroht, und das Abschalten von Windkraftanlagen von einer Stunde in der Dämmerung hätte kaum Wirkung.

Windkraftanlagen auf 1,8 Prozent der Landesfläche würden unsere nützlichen Fledermausarten langfristig ausrotten. Schon jetzt gefährdet die Windkraft diese Art auf Populationsebene. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung geht von 250.000 getöteten Fledermäusen im Jahr aus. Pro Windrad werden im Durchschnitt zehn tote Fledermäuse gefunden. Neben der direkten Kollision und dem Barotrauma – Luftdruckunterschiede vor und hinter den Anlagen führen zu Organverletzungen wie dem Zerreißen der Lungen – sind auch Lebensraumverluste durch die Veränderung wichtiger Jagdhabitate oder der Schwund von Quartiersbäumen für ihr Sterben verantwortlich. Auch im Spitalwald würde ein Jagdgebiet verloren gehen.

Hier würde Deutschland, und auch Herrenberg gegen die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU verstoßen, die gebietet, alle Fledermausarten in einem „günstigen Erhaltungszustand“ zu bewahren.

Foto: FHH

Stirbt eine Art aus, beginnt eine Kettenreaktion im gesamten Ökosystem

Dies scheint den Entscheidungsträgern keine Sorgen zu bereiten. Was hier zu wenig berücksichtigt wird, ist die Tatsache, dass in einem funktionierenden Ökosystem alle Arten miteinander zusammenhängen. Wenn viele Arten in einem System zusammen leben, wie in Waldgebieten, können sie sich leichter Veränderungen anpassen und die Folgen des Klimawandels überstehen. Fällt eine Art jedoch weg, hat das umfassende Folgen für weitere Arten.

Am Beispiel Fledermaus kann man erkennen, wie schnell ein gesamtes Ökosystem zusammenbrechen kann, und wie wir Menschen leiden würden, wenn eine einzelne Art ausstirbt. Fledermäuse spielen eine wichtige Rolle als Bestäuber, Samenausbreiter und Vertilger von Schädlingen. Ohne sie hätten wir mit Mückenplagen zu kämpfen. Ohne Fledermäuse gäbe es viele Pflanzen gar nicht. Durch sie brauchen wir weniger Pestizide. Außerdem sind sie unermesslich wichtig für die Landwirtschaft.

Leere Versprechungen

Es wird immer wieder von Behördenseite behauptet, dass vor dem Bau von Windrädern noch „umfangreiche Umweltprüfungen bestanden werden müssen“. Denn genau das ist sonst gesetzlich vorgeschrieben, aber bei Windrädern nicht der Fall:

Aufgrund der Regelungen der EU-Notfallverordnung und des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG) müssen für die Errichtung von Windkraftanlagen in Vorranggebieten weder eine Umweltverträglichkeitsprüfung noch eine artenschutzrechtliche Prüfung durchgeführt werden. Voraussetzung ist lediglich, dass bei Ausweisung von Vorranggebieten eine Strategische Umweltprüfung (SUP) stattfinden muss.

Das bedeutet, dass der Artenschutz in Deutschland mittels der Naturschutzgesetznovelle 2023 praktisch abgeschafft wurde.

Ein Uhu im Spitalwald braucht Hilfe

Foto: FHH

Man opfert also seine Wildtiere, um später mit Windrädern ein paar Prozent zu einem Energie-Mix beitragen zu können.

Die aktuelle Gesetzgebung: Moderner Ablasshandel im Artenschutz

Bei Genehmigungsverfahren teilt die Behörde dem Antragsteller mit, ob Daten für die besonders geschützten Arten in einem Gebiet vorhanden sind. Dann prüft der Projektentwickler, ob sich ein Erfordernis von Minderungsmaßnahmen ergibt. Die aus Sicht des Antragstellers geeigneten Minderungsmaßnahmen hat er in einem Maßnahmenkonzept darzustellen und der Genehmigungsbehörde vorzulegen.

Sind Minderungsmaßnahmen zur Sicherung des Erhaltungszustandes einer Art nicht möglich, und keine Standortalternativen zumutbar, darf der Vorhabensträger eine Geldleistung in Artenhilfsprogramme zahlen. Man kann sich also freikaufen. Ein Skandal!

Wissenschaftler fordern: Keine Windenergie im Wald!

22 Wissenschaftler beleuchten in einer Broschüre der Naturschutzinitiative (NI) die Auswirkungen von Windenergieanlagen auf unsere Wälder und Landschaftsschutzgebiete, den Artenschutz sowie die Biodiversität.

Ihre Forderung: Keine Windenergieanlagen in Wäldern und Schutzgebieten errichten!

Die Naturschutzinitiative verweist auch auf ein Rechtsgutachten des renommierten Umweltrechtspezialisten Dr. Faller, das zu dem Schluss kommt, dass die jüngsten Gesetzesänderungen des Bundesgesetzgebers, die den Ausbau von Windenergie beschleunigen sollen, indem sie den Naturschutz abbauen, das verbindliche Recht der Europäischen Union missachten (s. unten bei Quellen: Broschüre Keine Windenergie im Wald – Seite 20 – 24)

Hier sollten auch Windkraftbefürworter erkennen: Bei einer Beteiligung an Windkraftprojekten gibt es bisher keine vollständige Rechtssicherheit.

Ein Beispiel hierfür ist hier die

Diese Argumente sollten bei der Abwägung des Spitalwalds als potentielle Vorrangfläche berücksichtigt werden!

Politiker und örtliche Entscheidungsträger müssen endlich erkennen: Das Artensterben ist eine genauso dramatische Krise wie der Klimawandel. Die Stadt Herrenberg, die Gemeinde Jettingen und der Landkreis Böblingen sind hier aufgefordert, das Nachhaltigkeitsgebot zu berücksichtigen, und ein Herz für Tiere zu zeigen.

Mehr Informationen auf folgenden Vorträgen:

INFO-VERANSTALTUNG IN HERRENBERG | 12. SEPTEMBER 2024

Windenergieanlagen: Konflikte mit Gesundheit und Naturschutz

Referent: Prof. Dr. Roos

• Am Do. den 12. September 2024 um 19:00 Uhr
• In der Alten Turnhalle, Seestraße 31, Herrenberg (Eintritt frei)


INFO-VERANSTALTUNG IN MAUREN | 04. OKTOBER 2024

Ganzheitlicher Naturschutz – globaler Zusammenhang

Referent: Dr. rer. nat. Wolfgang Epple

Biologe und Wissenschaftlicher Beirat der Naturschutzinitiative e.V. (NI)
Autor zahlreicher Bücher, u.a. auch von „Windkraftindustrie und Naturschutz sind nicht vereinbar“ (2021)

• Am Fr. 04. Oktober 2024 um 18:00 Uhr
• In der Scheunenkirche, 71139 Mauren 11 (Eintritt frei)

Quellen:

https://naturschutz-initiative.de/aktuell/neuigkeiten/wissenschaftler-fordern-keine-windenergie-im-wald-und-in-schutzgebieten

https://www.vernunftkraft.de/kompendium (Seite 21 – 25)

https://www.agrarheute.com/management/betriebsfuehrung/windraeder-haben-mitschuld-insektensterben-552452

https://www.deutschewildtierstiftung.de/wildtiere/fledermaus/#bedrohungen

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